Kapitel 1 Ausgangspunkt: Persönliche Erfahrungen und methodische Konsequenzen
Kapitel 2 Die „Lippe-zu"-Übung: Ausgangspunkt einer neuen Spielidee
Kapitel 3 Die „Crescendo-Übung": Steuerung spürbar machen
Kapitel 4 Die „Blatt-an-der-Wand" Übung & „Flüstermelodie"
Kapitel 5 Das Dudelsack-Prinzip – Drei Denkmodelle zur Zungenfunktion beim Trompetenspiel
Kapitel 6 Oktavtransfer im Dudelsack-Modell
Kapitel 7 Der Körper als Resonanzraum: Alexandertechnik, Körpergebrauch und Leichtigkeit
„Dudelsack“ – das klingt zunächst nach schottischer Folklore, nach kernigem Klang und mittelalterlichem Markttreiben. Was hat dieses Bild auf dem Titel eines Trompeten-Lehrbuchs verloren?
Vielleicht weckt der Begriff Verwunderung. Vielleicht ein Lächeln. Beides ist willkommen. Denn das Bild des Dudelsacks steht hier nicht für ein historisches Instrument, sondern für eine Idee. Eine Idee, die beim Nachdenken über Luft, Klang und Steuerung entstanden ist – und die im Verlauf dieses Buches Schritt für Schritt Gestalt annehmen wird.
Der Dudelsack ist in diesem Zusammenhang kein Vorbild, sondern ein Bild. Ein Denkmodell. Eine Metapher für einen anderen Zugang zum Trompetenspiel – für einen spielerischen Perspektivwechsel, der neugierig machen will: auf das, was im Inneren geschieht, bevor ein Ton entsteht. Und auf das, was sich verändert, wenn man beginnt, genau hinzuhören, hinzuspüren und neue Zusammenhänge zu entdecken.
Dieses Buch lädt dazu ein, sich auf diese Suche einzulassen.
Schon während meines Trompetenstudiums spielte ich mehrere Jahre als Solotrompeter im Gustav Mahler Jugendorchester sowie im Bruckner Orchester Linz. Ich orientierte mich an einem Ideal aus kräftigem, tragfähigem Klang, präziser Artikulation und Durchsetzungsfähigkeit; im deutschsprachigen Raum gilt die Erfüllung dieser Kriterien bis heute als zentrale Voraussetzung für den Orchesterbetrieb. Trotz dieser Stärken (oder gerade deswegen!) fehlten mir in den höheren Lagen oft stabile Reserven, und mein Spiel war anfällig für Formschwankungen. In Phasen intensiver Belastung zeigten sich Unsicherheiten, die sich mit meiner kraft- und luftintensiven Technik langfristig nicht ausgleichen ließen.
Parallel zu meiner Orchestertätigkeit war und bin ich kontinuierlich als Trompetenlehrer tätig. Diese doppelte Perspektive – als ausführender Musiker und als Pädagoge – führte dazu, dass ich mein eigenes Spiel zunehmend kritisch reflektierte. Besonders die Hinwendung zur Barocktrompete, die einen schlankeren Ton, feine Höhe und größere klangliche Sensibilität erfordert, brachte eine grundlegende Neuorientierung.
Ich begann, bisherige Konzepte zu hinterfragen und entwickelte erste eigene Übungen. Wichtige Impulse erhielt ich dabei durch die Auseinandersetzung mit Vincent Cichowicz, der Methode von Malte Burba® und durch den Austausch mit Daniel Forsnabba. Forsnabba beschreibt Fortschritt im Trompetenspiel sehr treffend als Verbesserung der „Geschicklichkeit" – ein Begriff, mit dem er besonders die Zungenarbeit und die Koordination innerer Spielvorgänge meint. Dieser Gedanke war für mich entscheidend: Er rückte die Steuerung im Mundraum in ein neues Licht – und legte damit den Boden für die später entwickelte Vorstellung vom „Dudelsack"-Prinzip. Weitere wesentliche Anregungen erhielt ich aus körperorientierten Methoden, insbesondere der Alexandertechnik.
So entstand eine Methode, die bewusst auf Vermeidung von Anstrengung setzt und stattdessen feine Steuerungsmechanismen betont. Ursprünglich zur Selbstkorrektur entwickelt, wurde sie im Lauf der Zeit zur Grundlage meines Unterrichts. Die vorgestellten Ideen enthalten – wie ich glaube – durchaus neue Ansätze, verstehen sich aber nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zu etablierten Lehrmethoden: eine alternative Spielidee mit dem Ziel größerer Leichtigkeit.
Diese biografische Rückschau zeigt, wie die hier vorgestellten Überlegungen und Übungen entstanden sind – aus einer sehr persönlichen Suche nach ökonomischerem Spiel und zuverlässiger Tonbildung. Daraus entwickelte sich eine Lehrmethode, die auf drei zentralen Prinzipien beruht:
Entscheidende Aspekte der Tonbildung lassen sich gezielt ohne Instrument erarbeiten – in einem Raum jenseits des klanglichen Erwartungsdrucks. Viele technische Probleme beim Trompetenspiel entstehen, weil der Wunsch nach einem bestimmten Ergebnis – etwa ein hoher Ton oder ein besonders voller Klang – im Üben im Vordergrund steht. Diese Zielorientierung erzeugt unbewusst Erfolgsdruck. Der Körper wird gezwungen, Leistungen zu erbringen, für die noch keine ausgereiften Steuerungsmechanismen vorhanden sind. Daraus resultiert Verkrampfung, Fortschritt wird unmöglich.
Diese Methode schlägt daher einen anderen Weg vor: Es geht nicht darum, einzelne Fertigkeiten isoliert zu trainieren – wie etwa bei der Arbeit mit Kardinalvokalen nach Malte Burba®, die ich sehr schätze.
Ziel ist es, diese Empfindungen beim Spiel mit dem Instrument wieder zuerkennen – als innerlich bekannte, vertraute Vorgänge. Die Übung wird so zum Erfahrungsraum – und das Instrument zum Spiegel dieser Erfahrung.
Die Zunge wird in dieser Methode nicht primär als artikulatorisches Werkzeug betrachtet, sondern als feinfühliges Steuerungsorgan innerhalb des Luftkanals. Sie ist von Natur aus zu differenzierten Bewegungen fähig – wie beim Sprechen oder Essen. Im Trompetenspiel aber bleibt sie vielen lange unbewusst. Diese Methode setzt genau hier an: Durch gezielte Schulung der Wahrnehmung wird es möglich, bereits vorhandene Fertigkeiten der Zunge – etwa ihre Fähigkeit, die Luftführung subtil zu formen – bewusster zu nutzen und weiterzuentwickeln. Entscheidend ist dabei nicht das kontrollierende Bewegen, sondern das Erspüren und Verstärken funktionaler, oft unbewusst ablaufender Aktivität. Neue Bilder – wie das des Dudelsacks – dienen als Werkzeuge, um diesen Zugang zu erleichtern.
Das Kiefer spielt in diesem Zusammenhang eine zentrale und unterschätzte Rolle.
Diese Wechselwirkung wird im traditionellen Unterricht oft übersehen. Die Beschäftigung mit der Alexandertechnik – insbesondere mit dem sogenannten „Whispered ah" – hat mir gezeigt, wie bedeutend eine bewusste Balance von Kopf, Hals und Kiefer für den gesamten Spielapparat ist (siehe Kapitel 7).
In diesem Sinn versteht sich die Methode nicht als Alternative zu bestehenden Schulen, sondern als Ergänzung – als Einladung, über Wahrnehmung, innere Klangvorstellung und exakte Steuerung zu einem Spiel zu finden, das auf Leichtigkeit und Klarheit beruht.
Dieses Buch richtet sich an Lehrkräfte und Studierende, die ein ökonomischeres, leichteres Trompetenspiel entwickeln möchten. Es setzt dabei grundlegende Kenntnisse über die methodischen Ansätze von Arnold Jacobs („Song and Wind"), Vincent Cichowicz („Flow Studies") und Malte Burba® („Brass Masterclass") voraus bzw. empfiehlt deren ergänzende Lektüre. Vor allem im Fall von Burba® sind es die Ausführungen zur Zungenarbeit, die als Anknüpfungspunkt für die hier dargestellten Überlegungen besonders relevant sind. Eine ausführliche Einordnung und weiterführende Literatur finden sich im Anhang.