Kapitel 3

Die „Crescendo“-Übung: Steuerung spürbar machen

Nachdem mit der „Lippe-zu“-Übung ein erster Zugang zur Tonbildung geschaffen wurde – über die bewusste Gestaltung des Luftstroms und die subtile Aktivierung der Zunge – führt die „Crescendo“- Übung diesen Gedanken konsequent weiter. Sie verlagert den Fokus vom bloßen Tonansprechen hin zur aktiven Klanggestaltung und macht deutlich, wie entscheidend die innere Steuerung für Dynamik, Stabilität und Klangqualität ist.

Ausgangspunkt: Zungenaktivierung bewusst halten

Im Zentrum der Übung steht die Idee, jene Aktivierung der Zunge, die den Ton anspringen lässt, über den gesamten Tonverlauf hinweg aufrechtzuerhalten. Viele Spieler erleben, dass ein Ton zwar gut beginnt, dann aber „verflacht“ oder instabil wird. Oft liegt das daran, dass die anfängliche Steuerung nicht weitergeführt wird – die Zunge zieht sich zurück, wird passiv, der Luftstrom verliert an Richtung, der Klang wird kraftlos.

Häufig versucht der Spieler dann, die Klangfülle durch verstärktes Ausatmen zu erhalten. Das mag kurzfristig wirken, mündet jedoch – wie in späteren Kapiteln noch zu zeigen sein wird – in eine spieltechnische Sackgasse.

Die „Crescendo-Übung“ setzt genau hier an: Sie fordert dazu auf, den gerade entstandenen Ton nicht nur zu halten, sondern ihn aus der inneren Steuerung heraus wachsen zu lassen. Das bedeutet: Die Zunge bleibt aktiv – nicht durch sichtbare Bewegung, sondern durch eine feine, zunehmende innere Spannung, die den Luftstrom gezielt lenkt und beschleunigt.

Übungsablauf

Vorbereitung: Die Übung beginnt wie die „Lippe-zu“-Übung. Ein bequemer Ton (z. B. b1) wird durch Flüstern der Silbe „pü“ vorbereitet und durch das allmähliche Schließen der Lippe zum Klingen gebracht.

Crescendo: Sobald der Ton stabil erklingt, beginnt das Crescendo – nicht durch Druck oder Kraft, sondern durch ein feineres Nachspüren der inneren Steuerung. Die Zunge wird bewusst weiter „getragen“, häufig spürbar als leicht zunehmender Impuls nach vorn-oben. Der Luftstrom wird also über die Zunge geleitet, zielgerichtet und daraus folgend kräftiger. Besonders wichtig ist dabei, dass das Unterkiefer während des gesamten Tonverlaufs locker bleibt. Es „fällt“ – nicht im Sinne einer Bewegung, aber spürbar nach unten. Als Vorbild kann wieder, wie in Kapitel 2 schon erwähnt das gewöhnliche Pfeifen dienen.

Ziel der Übung

Diese Übung trainiert keine Kraft, sondern Kontrolle. Sie lenkt die Aufmerksamkeit weg von äußerlich wahrnehmbaren Parametern wie Lautstärke oder Tonhöhe – hin zur Qualität der Steuerung. Je bewusster der Spieler die feinmotorischen Vorgänge im Mundraum wahrnimmt, desto präziser kann er Klangverläufe gestalten: ökonomisch, stabil und differenziert.

 

Hinführung zu weiterführenden Konzepten

Die „Crescendo-Übung“ bildet eine Brücke: Sie zeigt, dass Klangentwicklung nicht nur ein äußeres Phänomen ist, sondern auf innerer Steuerung beruht. Damit öffnet sie den Weg zu Übungen, die größere Tonräume erschließen – etwa durch den in Kapitel 6 beschriebenen Oktavtransfer – und zur Anwendung der „Dudelsack“ Metapher in konkreten musikalischen Kontexten.

 

Notenbeispiel: „pü“ (geflüstert), Lippe schließt, Kiefer bleibt locker, Zunge wird aktiviert… Ton springt an, Kiefer bleibt weiter locker, Zunge erzeugt Intensität und ein leichtes crescendo... Fermate entweder rund abphrasieren oder Klang bis zuletzt intensiv halten. Bei guter Aktivität der Zunge gelingen crescendo und klangliche Intensität auch bei sehr langer Fermate bis zum absoluten Ende des Tons!




Kapitel 4

 

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