Stefan Ennemoser im Interview Text und Fotos: Reinhold Sigl
Wenn Stiftskapellmeister Norbert Matsch für einen Gottesdienst in der Wiltener Stiftskirche hochqualifizierte Naturtrompeter zu besetzen hat, ist Stefan Ennemoser - wenn es sein dichter Terminkalender zulässt - meistens mit dabei. Und das schon seit vielen Jahren.
Nach einem Auftritt vor dem Schloss Ambras im Rahmen der Festwochen der Alten Musik Innsbruck trafen wir den Musiker zu einem Gespräch.
Herr Ennemoser, wenn ich Ihren musikalischen Lebenslauf lese, fällt es auf, dass sich ihr künstlerischer Schwerpunkt von der modernen Trompete zur Naturtrompete verlagert hat. Wie ist es dazu gekommen?
Ich bin durch meinen Vater zur Musik gestoßen. Er war in meiner Heimat im Tiroler Lechtal Kapellmeister der Musikkapelle. Als Achtjähri- ger war es für mich sonnenklar, dass ich zur Musikkapelle gehe. Warum ich damals gleich zur Trompete griff, kann ich nicht mehr genau sagen. Auf alle Fälle war ich vielleicht nicht der talentierteste Musikant, aber ich war - und bin (lacht) - sehr hartnäckig. Meine musikalischen Leistungen wurden schliesslich so annehmbar, dass ich in das Musikgymnasium in Innsbruck wechseln durfte. Von dort aus war es nur noch ein relativ kleiner Schritt in das Tiroler Landeskonservatorium, wo ich das Studium für Konzertfach Trompete begann. Dort lernte ich auch meine Freunde Martin Patscheider und Christian Gruber kennen und schätzen.
Bei Univ.Prof. Karl Steininger an der Universität Mozarteum durften wir gemeinsam „unser handwerkliches Können“ erweitern und Schritt für Schritt perfektionieren.
Musikalisch stellten sich - damals noch ausschliesslich - auf der modernen Trompete erste Erfolge ein. Von 1996 bis 1999 war ich als Solotrompeter des Gustav Mahler Jugendorchesters und quasi parallel, ebenfalls als Solotrompeter, des Brucknerorchesters in Linz engagiert.
Die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit Gastdirigenten wie Claudio Abbado, Pierre Boulez und Kent Nagano war für mich als jungem Musiker eine wunderbare Möglichkeit mich musikalisch weiter zu entwickeln.
Zur Barocktrompete kam ich absolut zufällig, diese Entwicklung leitete letztendlich Martin Patscheider mit einem „Befehl“ ein: „Wir brauchen Dich, es muss sein!“ So kam es, dass ich 2004 meine Feuertaufe mit der Barocktrompete bei einem Konzert in Deutschland vor 5000 Menschen absolvieren „durfte“. Ich bin also ein absoluter - mehr oder weniger unfreiwilliger - Barockspätstarter.
Wieso ist es nicht bei diesem einmaligen Ausflug in die Barockmusik geblieben?
Ein wichtiger Lehrer und Ratgeber auf dem Weg zur Naturtrompete war in dieser Phase Univ.Prof. Norbert Salvenmoser. Er hat mir mit seiner hohen musikalischen Kompetenz und Leidenschaft den Zugang zur alten Musik erst so richtig erschlossen.
Schliesslich war es für mich auch eine perfekte Möglichkeit mit meinen „alten“ Studienfreunden Martin und Christian auf professioneller Basis zu musizieren.
Ist Ihnen der Umstieg von der modernen zur Naturtrompete leicht gefallen?
Die Naturtrompete ist ein völlig anderes Instrument. Sie ist doppelt so lang wie die moderne, sie hat keine Ventile und „der Ton sitzt ganz woanders“.
Wie bereits gesagt bin ich zum Glück ein hartnäckiger Mensch. So konnte ich mir dieses wunderbare Instrument im wahrsten Sinn „erarbeiten“.
Ich persönlich spiele auf einer handgemachten Egger-Trompete aus der Schweiz. Das Instrument ist so wie fast alle ein Nachbau.
Durch die dünne Wandstärke sind viele Obertöne zu hören, der Klang ist warm und hell. Die Kombination zum Beispiel mit einer Blockflöte funktioniert ausgezeichnet. Kirchenmusik mit historischen Instrumenten kann ich stärker, mit mehr Tiefe, wahrnehmen.
Ist Sensibilität für einen Musiker wie Sie, der Barockmusik mit historischen Trompeten interpretiert, eine besonders wichtige Vorraussetzung, um auf hohem Niveau spielen zu können?
Wir Naturtrompeter sind überzeugt, dass es wichtig ist, ein sensibler, feiner Mensch zu sein, um das Instrument richtig beherrschen zu können. Die Instrumente reagieren sehr intensiv auf Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen. Vor einem Auftritt sind wir immer die Ersten, die im Konzertsaal oder - noch schwieriger - in einer Kirche anzutreffen sind.
Es gab in ungeheizten Räumlichkeiten schon Situationen, wo das rechtzeitige Erscheinen und alle Vorsichtsmaßnahmen nicht ausreichend waren, um die Trompete in ein bespielbares - für die Zuhörer erträgliches (!!!) Instrument zu ver- wandeln.
Da hilft dann keine Sensibilität mehr, sondern nur noch eine Eisen- säge, um das Mundstück entsprechend zu kürzen.
Kirche ist ein gutes Stichwort. Wie sind Sie nach Wilten gekommen?
Mir wurde einmal erzählt, Norbert Matsch hat bei seiner Übersiedlung von Linz nach Wilten zwei Telefonnummern von einem Kollegen in die Hand gedrückt bekommen. Eine davon war offensichtlich meine. Vielleicht sollte ich Norbert fragen, ob das auch wirklich so gewesen ist, oder ob es - für mich zumindest - nur eine schöne Geschichte ist.
Auf alle Fälle hat mich der damals neu installierte Stiftskapellmeister angerufen und als Teil eines Blechbläserquintetts engagiert.
Seither durfte ich schon zu vielen Anlässen in Wilten meinen musikalischen Beitrag leisten.
Kirchenmusik in Wilten zu spielen ist immer sehr spannend für mich. Wir haben enge Probezeiten und müssen uns kurzfristig aufeinander einstellen. Durch das professionelle Umfeld und die ausgezeichneten Kolleginnen und Kollegen, gelingt es aber meistens, die hohen künst- lerischen Anforderungen zu erfüllen.
Eigentlich bin ich ja kein Lampenfiebermusiker, aber in Wilten ist mein Adrenalinspiegel immer hoch. Es hat wahrscheinlich damit zu tun, dass ich quasi „daheim spiele“. Sonst kenne ich ähnliche Gefühle nur von Auftritten im Wiener Musikvereinssaal.
Ein positives Körpergefühl zu empfinden ist für mich als Trompeter extrem wichtig. Um das zu erreichen, übe ich täglich.
Wer sind heute Ihre wichtigsten musikalischen Wegbegleiter?
Da möchte ich an erster Stelle das Naturtrompeten-Ensemble Eliseo Innsbruck nennen. Es wurde von meinen Freunden Martin Patscheider, Christian Gruber und Paul Bramböck 2006 gegründet. Unser Ziel ist es vor allem, die Trompetenmusik des Barock auf historischen Instrumenten aufzuführen.
Wir harmonieren nicht nur mu- sikalisch, sondern auch menschlich sehr gut miteinander, was die Engagements und die damit verbundenen Reisen natürlich angenehmer macht.
So wie es in den Trompetenzünften üblich war, besteht auch das Eliseo Ensemble aus zwei bis acht Trompetern und Paukern, die bei Bedarf durch Streicher, Holzbläser und Continuo-Instrumente ergänzt werden. (...)
Neben Ihrer Hartnäckigkeit sind Sie offensichtlich auch fleissig. Haben Sie da noch Zeit für ein Leben „neben der Musik“?
Als freischaffender Musiker bin ich immer wieder im In- und Ausland engagiert und eine „regelmäßige“ Planung ist nicht so einfach möglich.
Der „Papatag“ am Donnerstag ist für mich daher ein wichtiger Fixpunkt der Wochenplanung, wenn ich daheim bin. Mit unserer vierjährigen Tochter geht es dann zum Alpenzoo, ins Schwimmbad oder auf den Berg.
Da unser kleiner Schatz heuer mit dem Klarinettenspielen angefangen hat, und es ihr viel Freude macht, werden wir hoffentlich bald auch zu dritt musizieren können. Eine wunderbare Vorstellung.
Herzlichen Dank für das Gespräch. (Reinhold Sigl, Stift Wilten Aktuell, Ausgabe Sommer 2012)